Epilepsie bei Frauen im gebärfähigen Alter

Bei Frauen mit Epilepsie im gebärfähigen Alter gibt es viele Bereiche, wie z. B. Kontrazeption, Kinderwunsch, Schwangerschaft, Stillzeit und Elternschaft, die eine detaillierte Beratung erfordern. Bei diesen Themen soll auch ein enger Austausch mit der/dem behandelnden Gynäkologin/Gynäkologen erfolgen.

Kontrazeption

Beim Thema Kontrazeption ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass einige Anfallssuppressiva (teils dosisabhängig) zu einer Wirkabschwächung der hormonellen Kontrazeptiva führen können.

Kontrazeptive Wirkung eingeschränkt

Kontrazeptive Wirkung vermutlich nicht eingeschränkt

Brivaracetam (dosisabhängig)

Ethosuximid

Carbamazepin

Clobazam

Cenobamat

Gabapentin

Eslicarbazepinacetat

Lacosamid

Felbamat

Levetiracetam

Lamotrigin (geringfügig)

Pregabalin

Oxcarbazepin

Valproat

Perampanel (dosisabhängig)

Vigabatrin

Phenobarbital/Primidon

Zonisamid

Phenytoin

 

Rufinamid

 

Topiramat (dosisabhängig)

 

 

Andererseits können hormonelle Kontrazeptiva durch Enzyminduktion die Serumkonzentration von Valproinsäure und (insbesondere) Lamotrigin reduzieren. Das heißt, dass hier bei gleichzeitiger Gabe von hormonellen Kontrazeptiva auf eine etwaig notwendige Dosiserhöhung des Anfallssuppressivums geachtet werden sollte.

Kontrazeption – Empfehlungen für die Praxis

  • Frühzeitige Aufklärung über Kontrazeption bei Epilepsie in der Pubertät oder bei später beginnender Epilepsie mit der Gabe des ersten Anfallssuppressivums.
  • Empfehlung von zusätzlichen Barrieremaßnahmen (z. B. Kondom) bei einer hormonellen Kontrazeption und gleichzeitiger Einnahme eines Anfallssuppressivums, welches die hormonelle Kontrazeption beeinflusst.
  • Beim Einsatz von Anfallssuppressiva, die die hormonelle Kontrazeption beeinflussen, Empfehlung eines Intrauterinpessars als sicherste anwenderunabhängige Verhütungsmethode.

Detaillierte Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Leitlinie in Kapitel 2.2.7.1.

Kinderwunsch, Schwangerschaft und anfallssuppressive Behandlung

Das Ziel der anfallssuppressiven Behandlung bei Frauen mit Kinderwunsch ist neben einer bestmöglichen Anfallskontrolle und Verträglichkeit ein möglichst niedriges teratogenes Risiko für das Kind. Dieses Risiko ist dosisabhängig und unterscheidet sich zwischen den Anfallssuppressiva erheblich, es ist für Valproinsäure vergleichsweise hoch. Für den Einsatz von Valproinsäure bei Frauen, bei denen eine Konzeption nicht mit einem hohen Maß an Sicherheit ausgeschlossen werden kann, gelten deshalb klare Vorgaben im Rahmen eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms. Details hierzu und zur Teratogenität von anderen Anfallssuppressiva finden sich in Kapitel 2.2.2.1 der Leitlinie.

Bei Patientinnen im gebärfähigen Alter sollte das Thema Kinderwunsch regelmäßig angesprochen werden, damit eine rechtzeitige Beratung erfolgen und eventuell eine medikamentöse Umstellung erfolgen kann.

Bereits in der Vergangenheit wurde Patientinnen mit Epilepsie empfohlen, vor der Konzeption und in der Schwangerschaft Folsäure einzunehmen, um das Risiko für Fehlbildungen zu reduzieren und um eine uneingeschränkte kindliche kognitive Entwicklung zu ermöglichen. Bezüglich der Dosierung gibt es aufgrund einer aktuellen Studie, die auf einen Zusammenhang zwischen einem höheren Risiko der Nachkommen für Neoplasien und einer hohen Folsäure-Dosis hindeutet, nun eine wichtige Änderung: Sobald ein Kinderwunsch besteht (und bevor eine Kontrazeption beendet wird), sollen die Frauen Folsäure einnehmen, die mindestens bis zum Ende des ersten Trimesters fortgeführt wird. Die tägliche Dosierung der Folsäure sollte 0,4 mg bis 0,8 mg betragen.

Es ist ferner zu beachten, dass es bei einigen Anfallssuppressiva in der Schwangerschaft zu einem Abfall der Serumkonzentration kommen kann. Deshalb sollten die Serumkonzentrationen im Verlauf der Schwangerschaft regelmäßig bestimmt und ggf. eine Dosiserhöhung der Anfallssuprressiva vorgenommen werden (Details siehe 2.2.7.3). Wichtig ist, die erhöhte Dosis spätestens zwei Wochen nach der Entbindung wieder zu reduzieren.

Stillen und Elternzeit

In puncto Stillen sollen Frauen dahingehend beraten werden, dass bei Einnahme eines Anfallssuppressivums der Nutzen des Stillens etwaigen Risiken für den Säugling deutlich überwiegt.

Eltern sollen schon während der Schwangerschaft hinsichtlich möglicher Risiken für das Kind (z.B. beim Baden, Wickeln, bei anfallsbedingten Stürzen beim Tragen eines Säuglings) und für den epilepsiekranken Elternteil (z. B. Anfälle durch Schlafentzug) beraten werden. Eltern mit Epilepsie sollen, in Abhängigkeit vom individuellen Bedarf, auch über professionelle Unterstützungsangebote informiert werden.

Generell ist eine Epilepsie kein Hinderungsgrund für die Realisierung eines Kinderwunsches, es sollten aber eine frühzeitige und ausführliche Beratung und Begleitung erfolgen.


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